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Das Rathaus
„Suburbium castri“ entsteht ab dem späten 12. Jh. an den Ausläufern des Odenwaldes eng zwischen Main und Berg die Stadt Freudenberg. Sie entwickelt sich aus einer kleinen Siedlung zu Füßen des Burgbaus und wird 1287 erstmals als Stadt bezeichnet. Lehensherren in Freudenberg sind die Grafen zu Wertheim zu deren Geschlecht Graf Erasmus, kurz Asmus zu Wertheim gehört.
Nachdem der Bau der Burg zwischenzeitlich ins Stocken geraten war, baut Graf Asmus die Freudenburg als seinen Herrschersitz aus. 1499 wird unter seiner Herrschaft das Freudenberger Rathaus erbaut. Der imposante, vielgeschoßige Fachwerkbau wird Sitz der bürgerlichen Verwaltung, der Vertreter der Bürgerschaft. Die Bürger der Stadt Freudenberg sind vor allem Ackerbürger, Häcker, Schröter Steinhauer, Fischer und Schiffer. Das Rathaus war die zentrale Einrichtung der Stadt und hatte viele Funktionen. „Es war Verwaltungszentrum, Gerichtsgebäude, Markthalle und Bürgerhaus in einem. Eine Vielzahl von städtischen Ämtern und Positionen waren für die Regelung des städtischen Lebens zuständig und notwendig…“.
Der Schultheis war Vertreter der Bürger und Stand an der Spitze der Verwaltung. Bis Ende des 18.Jh befand sich die Schule mit im Gebäude. Am Portal des Sockelgeschosses, dem großen Fenster zum Ratssaal, ist die Jahreszahl 1499 abzulesen. Bis heute betritt man das Rathaus über das große Sandsteinportal über den erhöht liegenden Rathausplatz. Es trägt im Giebelfeld die Jahreszahl 1605 und stammt aus einem zweiten Bauabschnitt oder Umbaus. Steinmetzzeichen, mit denen die Steinmetze ihre behauenen Steine, ihre Arbeit markierten sind links und über der Türe an der Konsole zu sehen.
1906 werden hinter dem Rathaus, auf der Brandstelle des sogenannten alten Tempels ein Grundbuchamt und Schulräume mit einer Schulküche angebaut und schon ein Jahr später bezogen. Als man im Jahre 1908 den beschädigten Putz abklopft, kommt das Fachwerk zu Tage „ein schöner altertümlicher Holzbau“, der als „...Prachtgebäude zur Zierde der Stadt und des Landes hergestellt werden kann“. Vier Jahre später erfolgt die Restaurierung.
1950 heißt es in der Niederschrift einer Ortsbereisung: “ Das Rathaus ist ein prachtvolles Fachwerksgebäude aus der Übergangszeit von der Gotik zur Renaissance. Es reiht sich der Größe des Ortes entsprechend an seine großen main-fränkischen Nachbarn in Michelstadt, Miltenberg und Wertheim und ist mir ein Zeuge von Glanz und Reichtum des Mittelalters (...)“. 1957 genügen die Schulräume im Rathaus nicht mehr den Anforderungen eines Schulhauses „...das Gebäude hat dicke Umfassungsmauern und feuchte Wände, durch mangelhafte Raumverhältnisse ist die Lage der einzelnen Lehrsääle unzweckmäßig.“
Die Aborte seien feucht und muffig und schwer sauber zu halten“. Nach dem Bau der Lindtalschule endet 1959 der Schulbertieb im Rathaus. In den 1950 er Jahren wurde das Rathaus mit einem Durchbruch in der Giebelwand zu dem 1907 erbauten Nachbargebäude erweitert. Quellen belegen, dass der Speicher des Rathauses im 19.Jh. zum Trocknen der Tabakblätter verpachtet wurde. Gegen eine Benutzungsgebühr von 50 Pfennig durfte man einmalig die Wäsche zum Trocknen aufhängen.
Heute ist der Dachstuhl als Aktendepot und Raum für kleine Sitzungen ausgebaut. Mit viel Rücksicht auf die historische Substanz wurde das Gebäude ab 1999 durch das Architekturbüro Wiechers & Beck restauriert, modernisiert, umgebaut und den Bedürfnissen einer modernen Verwaltung angepasst. Eine neue Treppenanlage wurde eingezogen, der Sitzungssaal im Untergeschoß saniert und mit moderner Technik ausgestattet, der hallenartige Charakter des Raumes erhalten, alle Büroräume als modernen Arbeitsräumen gestaltet.
Bei den Arbeiten wurde eine im Rohzustand erhaltene, 500 Jahre unberührte Giebelwand in Fachwerkkonstruktion gefunden. Sie wurde komplett freigelegt, restauriert und ist als Ausstellungsstück Mittelpunkt des neuen Rathauses. Der sogenannte Bauteil C, indem die Stadtgeschichte in Bild und Ton präsentiert wird ist in Anspielung auf den früheren Bau eine reine Holzkonstruktion. Alle neu gebauten Teile der Architektur sind betont zurückhaltend und unterstreichen den Charakter des alten Rathauses in Kombination mit moderner Architektur. Die Altstadtsanierung im Bereich Amtshaus, Amtshausgarten, Rathaus und alter Kirche folgte dem Bestreben dieses denkmalgeschützte Ensemble als kulturelles Zentrum der Stadt auszubauen und nutzbar zu machen. Im Rathaus ist heute das Stadtmuseum untergebracht.
Die Verwirklichung dieses Museumskonzeptes, unter der Leitung des Architekturbüros konnte durch das Engagement der Bürger verwirklicht werden. Kulturarbeit ohne Subventionen! Die beiden historischen Felsenkeller wurden in das Museumskonzept integriert, da die Ausstellung umfangreicher geriet als erwartet. Unter dem Dach des Baus entstand ein multifunktionaler Saat, der heute für kleinere kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann. Zu jeder Zeit war das heute modern ausgebaute, historische Fachwerkgebäude Rathaus der Stadt Freudenberg, Sitz der Stadtverwaltung und des Bürgermeisters.
Gruppenführungen durch das historische Rathaus sind auf Anfrage möglich.
Zum 500 jährigen Bestehen des Rathauses wurde auch das Lumpenglöcklein wieder installiert, das früher die Zecher nachhause rief:
Das Lumpenglöcklein von Freudenberg
Ich kenn` ein Glöcklein silberhell
In Freudenberg am Main;
Im Türmchen auf dem Rathaus hängt`s,
Seit langer Zeit mag`s sein.
Es läutet nicht zum Gottesdienst,
Nicht ladet`s ein zur Tauf`,
Es schrecket nachts in elfter Stund`
Die Frohen Zecher auf.
Was mag bedeuten dieser Klang
In ernster Geisterstund?
„Das Auge des Gesetzes wacht
Und macht gar bald die Rund`!“
So mahnet es die Zecherschaar,
Die sich vergaß beim Wein,
Und das letzte Tröpflein rollt
Zum Abschiedsgruß hinein.--
Jüngst kehrte in der „Weinstub`“ zu
Es war `ne schöne Zeit,
Ein Wandrer von dem Hochgebirg
Voll Sorg` und Bitterkeit.
Er labte sich am edlen Naß,
Das Freudenberg ihm bot;
Bei diesem Trunk und heitrer Rund
Vergaß er seine Not.
Das traute Glöcklein mahnet zwar,
Die Hermandat erscheint,
Er hört es kaum, er sieht sie nicht,
Und weiter wird „geweint“.
O Lumpenglöcklein Freudenbergs,
Den Bürger ruf`zur Ruh`,
Doch trinkt am Main ein Bergler Wein,
Den warnst vergeblich du.
14.VIII.1902
Das Gedicht stammt von Pfarrer Wagner aus Blaichach im Allgäu, der es während eines mehrwöchigen Aufenthalts bei der Familie Söller in Freudenberg verfasste.
Ouellen: Schriften aus dem Landesarchives in Bronnbach, Niederschriften des Büros Wiechers & Beck, Stadtchronik 1987.
Text: Caroline Becker M.A. Tourismus & Kultur Stadt Freudenberg
Bilder: Franz Hofmann, Caroline Becker
Der Besuch des Stadtmuseums ist während der Öffnungszeiten des Rathauses möglich.